Beobachtungspunkt: am Alpisella-Pass oder auf der höher liegenden Almhütte 
 
Sie sind am Alpisella-Pass angekommen, der durch das Fraèle-Tal Bormio mit Livigno verbindet. Dieses Höhengebiet war einst aufgrund des Weideviehs und der Eisengewinnung sehr belebt. 
Von hier nach Westen wird die breite und fast ebene Oberfläche durch den Einschnitt des Baches plötzlich unterbrochen, der in Richtung des künstlichen Livigno-Sees fließt. Nach Osten erstreckt sich der Hang fast zwei Kilometer über ein sanft abfallendes Tal bis zu einer engen Schlucht, die sich zum künstlichen San Giacomo-Becken öffnet. Beide Abschnitte werden in der Kartographie zusammen als „Alpisella-Talˮ bezeichnet, weil sie vielleicht durch ein weites flaches Gebiet verbunden sind, in dem es schwierig ist, die wahre Wasserscheide festzustellen. 
Die Alpisella-Täler entwickeln sich entlang einer einzigen geraden Linie, die von Osten nach Westen ausgerichtet ist, weil ihr Verlauf von der geologischen Struktur der Umgebung bestimmt wird: Während der alpinen Orogenese überlagerte sich entlang dieser Linie das Plateau aus massiven Dolomiten des Nordhangs auf die gut geschichteten Mergelkalksteine und Mergel des Südhangs. 
Um die Überschiebung herum wurden die Dolomiten tief gebrochen; sie waren so bröckelig, dass die Erosion sie leicht angreifen und daher formen konnte. Von hier aus sind auf dem Grat die Überreste des tektonisierten Gesteins sowie den ausgedehnten, aus seiner Zerbröckelung entstandenen Gesteinsschutt deutlich zu erkennen. 
Trotz seines flachen und unauffälligen Aussehens ist der Alpisella-Pass zusammen mit den Pässen Foscagno und Val Trela einer der interessantesten im Veltlin. 
Das Niederschlagswasser, das östlich dieses Sattels fällt, schließt sich tatsächlich dem der Adda an, deren Quellen direkt darunter liegen, und fließt in den Po; dann gelangt es von hier aus ins Mittelmeer. Die Niederschläge, die im Westen fallen, erreichen dagegen den Spol - den Fluss von Livigno -, der ein Nebenfluss des Inn ist; der Letztere ist wiederum ein Nebenfluss der Donau, die ins Schwarze Meer fließt. 
Dies ist die wirkliche Wasserscheide zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer, eine echte Grenze von europäischer Bedeutung!