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DER FORNI-GLETSCHER

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Bewundern wir jetzt „den weißen Riesen“ des Nationalparks Stilfserjoch! 
 
Der Forni-Gletscher oder „Forno”-Gletscher, wie Antonio Stoppani schrieb, ist einer der größten Gletscher Italiens und steht an zweiter Stelle nach der Adamello-Mandrone-Gruppe. 
Er ist als „Talgletscher mit zusammengesetzten oder zusammenfließenden Becken” klassifiziert und besteht, bzw. bestand aus drei Sammelbecken, aus denen drei Eisströme in eine einzige Talzunge zusammenflossen. Zwischen 2015 und 2018 teilte sich der Gletscher definitiv in drei separate Teile, was zur Bildung von drei verschiedenen und nicht mehr wechselwirkenden Gletschern führte. 
Der Forni-Gletscher ist einer der besten Zeugen des Klimawandels. Seit Ende der Kleinen Eiszeit - um 1860 - bis heute hat er sich um 2 km zurückgezogen! Wo einst eine majestätische Gletscherzunge lag, liegt heute ein Tal, das reich an Lärchen und Tannen ist und von einem großen Bach durchflossen wird. 
Die Gletscherzunge ist von der Terrasse der Branca-Hütte auf 2493 Meter Höhe deutlich sichtbar; sie ist von drei Mittelmoränen, auch Wandermoränen genannt, markiert, die auch ein unerfahrener Gletscherbeobachter deutlich erkennen kann, weil sie auf der Gletscheroberfläche als dunkle Geröllstreifen auftreten. Der Höhenunterschied zwischen Mittelmoränen und dem Rest der Eiszungenoberfläche beträgt an einigen Stellen sogar 10 Meter und ist Folge der „differentiellen Ablation”. Mit diesem Begriff meinen die Forscher die unterschiedliche Schmelzgeschwindigkeit des vom Schutt bedeckten Eises im Vergleich zu dem umliegenden sauberen Eis. Bei einer Eisdicke von mindestens 5-10 cm schmilzt das vom Schutt geschützte Eis langsamer als das saubere Eis, weil dies der Sonnenausstrahlung und den heißen Sommertemperaturen direkt ausgesetzt ist. Der Höhenunterschied zwischen dem vom Schutt bedeckten Eis und den umliegenden Gebieten ist auf diese unterschiedliche Schmelzgeschwindigkeit zurückzuführen. 
Auf dem Gletscher sind zudem die sogenannten Spalten zu erkennen, die breite Risse an der Gletscheroberfläche sind. Diese fragilen Verformungen sind ein klarer Beweis dafür, dass der Forni-Gletscher nicht statisch ist, sondern sich mit einer Geschwindigkeit von sogar einigen Dutzend Metern pro Jahr von Berg zu Tal bewegt! Weiße sowie graue und schwärzliche Eisfalten sind auch deutlich sichtbar; sie heißen Ogiven und sind plastische Verformungen des Eises, die unter Krafteinwirkung infolge der Gletscherbewegung entstanden und praktisch in glazialer Hinsicht den Felsfalten unserer Alpen entsprechen! 
Die Forni-Gletscher-Zunge ist aus geomorphologischer Sicht ein äußerst dynamisches Gebiet. Ihre Entwicklung ist rasch und beschleunigt immer mehr. In den letzten Jahren, bzw. seit 2003 hat die Eiszunge weiter an Dicke und Länge verloren, und ihre feine Geröllbedeckung, die das Eis weiter verdunkelt – in der internationalen Literatur ist das Phänomen als „darkening” bekannt - ist breiter geworden; runde Spalten sind entstanden, und ihr Zusammenbruch hat ephemere epiglaziale Seen gebildet und breitere Aufschlüsse von Felsuntergrund verursacht, deren Erweiterung zu isolierten und zersplitterten Eisstücken führt. 
Der gesamte Bereich der Eiszunge und vor allem die Gletscherstirn stellt eines der besten Beispiele für den Übergang von einem glazialen zu einem periglazialen System dar, wo das Schmelzwasser das Eisgeröll intensiv umformt. Um die Zunge herum sind Moränensysteme zu erkennen, die in den vorherigen Ausdehnungsphasen, insbesondere zwischen 1965-1985, abgelagert wurden, wo Eiskerne deutlich sichtbar sind, und Instabilitätsphänomene wie z. B. Schlamm- und Schuttströme verursachen. Die Gletscherzunge ist von der imposanten, oft scharfen Seitenmoräne der Kleinen Eiszeit (1550-1850) mit pseudokarrenartigen Erosionsformen beherrscht. 
Auf dem Talboden befinden sich auch Moränenstreifen, die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts abgelagert wurden. 
Formen der Gletschererosion sind ebenfalls weit verbreitet, wie z. B. Rundhöcker. 
Der Forni-Gletscher gilt schon seit der Zeit vom Forscher Stoppani als einer der repräsentativsten der gesamten Alpenkette. In den letzten Jahren sind Wissenschaftler aus ganz Europa hierhergekommen, um die interessante Morphologie des Ortes zu beobachten, die unter den deutlichsten des laufenden Eisabschmelzens ist, was aus glazialen, Wildbach-, Schwere- und periglazialen Prozessen besteht. 
2005 wurden zwei permanente, automatische Wetterstationen von der Universität Mailand auf der Oberfläche des Gletschers installiert und in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Stilfserjoch verwaltet. Diese Geräte messen die von der Weltorganisation für Meteorologie geforderten sieben Wetterparameter. Die stündlich erfassten Daten ermöglichen es, die Gletscherenergiebilanz und das daraus resultierende Schmelzen sowie die Beschreibung der Schneeanhäufung und deren saisonale und jährliche Variabilität zu ermitteln. 
Zudem wurde dank dieser Wetterstationen festgestellt, dass hier in einigen Monaten des Jahres ein katabatischer Wind weht, der mit dem Wind bei den großen Gletschern in Antarktis und Grönland vergleichbar ist, dessen Geschwindigkeit häufig 130 km / h überstiegen hat. 
Zu guter Letzt war der Forni-Gletscher der erste in Italien, der mit Hilfe von Drohnen untersucht wurde, um mit sehr hoher Präzision die geometrischen und volumetrischen Schwankungen infolge des Klimawandels zu quantifizieren. Er ist daher ein echtes wissenschaftliches Freiluftlabor. 

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